Paul Evander Lorenz

Ordnungen der Liebe

Die Arbeit mit System- und Familienaufstellungen


 

System- und Familienaufstellungen sind eine phänomenologische Arbeit im Bereich der Psychotherapie. Mit Hilfe von so genannten Stellvertretern, die sich in eine bestimmte Position im Familiensystem einfühlen, finden wir Anschluss an das, was man „wissendes Feld“ nennen kann. Dabei erkennen wir grundlegende Ordnungen („Ordnungen der Liebe“), die in Familiensystemen und im menschlichen Miteinander wirksam sind. Diese Ordnungen sind weder beliebig, noch willkürlich zu interpretieren. Auf diese Weise können unbewusste belastende oder krankmachende Dynamiken des Familiensystems ans Licht kommen und – wie man an den Wirkungen sehen kann – wieder in die Ordnung gebracht werden.

„Was wirklich ist, ist unbeschreiblich,
doch wer es sieht, der weiß Bescheid.“

Bert Hellinger

 


System- und Familienaufstellungen zu wiederkehrenden Themen
 

Es gibt Themen, mit denen alle Menschen verbunden sind – jeder auf seine individuelle Art und Weise: Wir alle sind Kinder unserer Eltern. Wir leben alle in der Polarität von Männlichkeit und Weiblichkeit. Für alle gilt die Dynamik des Ausgleichs von Geben und Nehmen. Wir alle haben Vorfahren und können Anschluss finden an die Kraft der Ahnen. Viele dieser archetypischen Facetten des Lebens finden wir auch symbolisiert in Mythen und Märchen, die wir für diese Arbeit zu Hilfe nehmen. Wir lassen ans Licht kommen, was verborgen in uns wirkt. So erfährt jede/r, dass sie/er nicht nur ein Einzelschicksal in sich trägt, sondern auch Teil eines übergeordneten größeren Ganzen ist, woraus sich eine tiefe Kraft schöpfen lässt.

- Ich wurde nicht geliebt
- Ich und meine Geschwister
- Ich und mein Vater
- Ich bin Glied einer langen Kette - die Kraft der Ahnen
- Täter-Opfer-Dynamik – wie weit sind wir von uns selbst entfernt?
- Missbrauchsdynamik – die Schuld versinkt in einem Ozean von Traurigkeit

Ich wurde nicht geliebt

Viele Menschen quälen sich mit dem Gefühl, von den Eltern nicht genug geliebt worden zu sein. Vater und Mutter sind nicht nur die Personen unserer leiblichen Eltern, Vater und Mutter sind auch universelle Prinzipien, die durch unsere leiblichen Eltern (mehr oder weniger) verkörpert werden, was wir ihnen (mehr oder weniger) vorwerfen beziehungsweise wofür wir ihnen (mehr oder weniger) dankbar sind. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir von einer gestörten Beziehung zu unseren Eltern zu einer kraftvollen Bindung zu Vater und Mutter gelangen. Dabei gehen wir auf den Unterschied zwischen Beziehung und Bindung ein. Wir schauen auf Dynamiken, die mit diesem Thema verbunden sind. Etwa: Wie wir als Kinder durch Anmaßung unschuldig schuldig werden und wie der Ausweg gelingt. Wie wir als Erwachsene ungewollt verantwortlich werden und wie wir daraus eine Kraft schöpfen können.

Ich und meine Geschwister

Viele erwachsene Menschen leben mit ihren Geschwistern in einer Art Unkontakt. Damit setzen sie meist Muster fort, die noch aus dem Elternhaus stammen. Geschwisterliebe jedoch, ist eine große und schöne Kraft. Das gilt besonders auch für bereits gestorbene Geschwister. Auch Einzelkinder haben oft ein Geschwisterthema. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir von einer gestörten Beziehung zu unseren Geschwistern zu einer kraftvollen Bindung gelangen. Dabei gehen wir auf den Unterschied zwischen Beziehung und Bindung ein. Wir schauen auf Dynamiken, die mit diesem Thema verbunden sind. Etwa: Welche Aufträge von den Eltern tragen wir (immer noch) in uns? Wie wir als Geschwister näher zusammenrücken, wenn wir von den Eltern abrücken. Wie wir unsere Geschwister erkennen, wenn wir uns selbst erkennen.

Ich und mein Vater

Jede Frau wird sich irgendwann einmal in ihrem Leben mit der Vaterfigur auseinandersetzen. Denn der Weg zur Weiblichkeit ist stark vom Vater geprägt. Solche Prägungen begleiten uns bewusst oder unbewusst mitunter das ganze Leben lang. Durch die Person unseres leiblichen Vaters erfahren wir erstmals im Leben auch (meist zu stark oder zu schwach) die Verkörperung der positiven und negativen Aspekte von Männlichkeit. Frau sein, Partnerin sein, Mutter sein steht in Verbindung mit dem Vaterbild das wir in uns tragen. Diesem inneren Vaterbild begeben wir uns auf die Spur und werden feststellen, dass es wandelbar ist, so dass wir zu einem besseren Verhältnis zu uns selbst gelangen können. Dieses Seminar entstand auf Anregung von Teilnehmerinnen. Es ist für Frauen gedacht. (Männer benötigen für ihr Vaterthema energetisch einen anderen Ansatz.)

Ich bin Glied einer langen Kette – die Kraft der Ahnen

Dynamiken und Muster in Familiensystemen werden oft von Generation zu Generation weiter „vererbt“, bewusst und unbewusst. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir von einer möglicherweise beeinträchtigten Beziehung zu uns selbst zu einer kraftvollen Anbindung an unsere Wurzeln gelangen. Wir schauen auf Dynamiken, die mit diesem Thema verbunden sind. Zum Beispiel die Personen der leiblichen Eltern im Gegensatz zu Väterlichkeit, Mütterlichkeit und Zugehörigkeit als universelle Prinzipien. Wir stellen unsere Ahnen auf und schauen bis zu sieben Generationen zurück. Wir können uns als individuelle Person betrachten, wie das losgelöste Glied einer Kette. Aber die Tatsache, dass die einzelnen Glieder ineinander greifen, ist es, was eine Kette ausmacht.

Täter-Opfer-Dynamik – wie weit sind wir von uns selbst entfernt?

Täter und Opfer sind so wie Krieg und Frieden, Sonne und Mond, Männlich und Weiblich, Einatmen und Ausatmen polare Kräfte, die universellen Gesetzmäßigkeiten folgen. Solche Kräfte sind auch Teil einer Partnerschaft. Oft erleben wir uns damit überfordert und erreichen mit unseren Aktionen und Reaktionen oft das Gegenteil des Beabsichtigten. Mit Hilfe der „Ordnungen der Liebe“ versuchen wir einige dieser Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen, damit der Zugang zu Versöhnung und Vergebung gelingt. Am Ende gelangen wir zu uns selbst.

Missbrauchsdynamik – die Schuld versinkt in einem Ozean von Traurigkeit

Wenn die Grenze überschritten wurde, was sind die Folgen und wie kommt man wieder frei? Kaum ein Thema ist mit einer solch unerträglichen Emotionalität verbunden. Kaum ein Thema rührt so tief an einen Schmerz. Kaum eine Psychodynamik wird so gründlich missverstanden wie die Missbrauchsdynamik. Jedoch: Empörung und Schuldzuweisungen werden den Beteiligten nicht gerecht, wo doch am Anfang die Liebe war. Wir werden uns vorsichtig an eine Darstellung der Komplexität dieser Dynamik anzunähern, um zu erhellenden Einsichten und Erkenntnissen zu gelangen.

 


Familienstellen und Verantwortung – eine Kritische Auseinandersetzung
 

Eigentlich wollte ich auf dieser Seite eine etwas detailliertere Auseinandersetzung zu dem Thema Familienstellen schreiben. Etwa darüber, dass die psychotherapeutische Methode des Familienstellens, wie sie durch Bert Hellinger bekannt geworden ist, eben nicht nur eine Methode ist, sondern auch eine (durchaus spirituelle) Haltung des Therapeuten. Oder darüber, dass der enorme Erfolg dieser „Methode" viele Nachahmer nach sich gezogen hat, die, ohne es wirklich zu können, etwas Großes und Mächtiges handhaben wollen. Immerhin ist das Familienstellen die am schnellsten gewachsene und erfolgreichste psychotherapeutische Methode seit der Entwicklung der Psychotherapie überhaupt.

Dann wollte ich auf die enorme Verantwortung hinweisen, die diese Arbeit mit sich bringt, und mich gegen Machtmissbrauch ausprechen, und gegen Egoismen sowohl bei Therapeuten als auch bei Klienten. Wir leben ja doch in einer ziemlich egoistischen und machtorientierten Wirklichkeit.
Bert Hellinger hat gezeigt, wie man bestehenden (psychotherapeutischen) Methoden andere wirksame Möglichkeiten gegenüberstellen kann, so dass sich das bis dahin etablierte psychotherapeutische Denken verändern und ein systemisches Denken entwicklen konnte.
Doch eine geschriebene Wertung entbehrt einer konkreten Situation und wäre zu pauschal. Ich habe durchaus einen Standpunkt. Ich weiß Kritik zu schätzen, um immer wieder meine Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen. Ich begrüße persönliche, kritische Auseinandersetzungen. Irgendwie scheint ein jeder (in seinem Leben) sich auf einer ihm gemäßen Stufe zu befinden, hat Kontakt zu seinesgleichen - und „was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall.“

In Wirklichkeit geht es um etwas Größeres.

 


Ordnungen des Helfens
 

Ein Text von Bert Hellinger
(Aus: Systemische Aufstellungspraxis 1/2004, Text gekürzt)

„Helfen ist eine Kunst. Wie bei jeder Kunst gehört dazu ein Können, das man lernen und üben kann. Und es gehört dazu die Einfühlung in den, der Hilfe sucht; also die Einsicht in das, was ihm entspricht und was ihn zugleich über sich hinaushebt in etwas Umfassenderes.

Die erste Ordnung des Helfens
Die erste Ordnung des Helfens ist, dass man nur das gibt, was man hat, und nur erwartet und nimmt, was man auch braucht.
Die erste Unordnung des Helfens beginnt damit, dass einer geben will, was er nicht hat, und einer nehmen will, was er nicht braucht. Oder wenn einer von einem anderen etwas erwartet und verlangt, was dieser nicht geben kann, weil es er selbst nicht hat. Aber auch, wenn einer etwas nicht geben darf, weil er damit dem anderen etwas abnehmen würde, was dieser allein tragen kann oder muss und tun kann oder darf.
Dem Geben und Nehmen sind also Grenzen gesetzt. Es gehört zur Kunst des Helfens, diese Grenzen wahrzunehmen und sich ihnen zu fügen.

Die zweite Ordnung des Helfens
Viele äußere Umstände sind vorgegeben und nicht veränderbar, zum Beispiel eine Erbkrankheit oder auch die Folgen von Ereignissen oder von eigener und fremder Schuld. Wenn das Helfen die äußeren Umstände außer Acht lässt oder sie nicht wahrhaben will, ist es zum Scheitern verurteilt. Noch mehr gilt dies für die Umstände innerer Art. Die zweite Ordnung des Helfens ist also, dass es sich den Umständen fügt und nur so weit unterstützend eingreift wie es die Umstände gestatten. Dieses Helfen ist zurückhaltend, es hat Kraft.
Die Unordnung des Helfens wäre hier, wenn es die Umstände verleugnet oder zudeckt, statt dass es ihnen gemeinsam mit dem, der Hilfe sucht, ins Auge schaut. Helfen-Wollen gegen die Umstände schwächt sowohl den Helfer als auch den, der hier Hilfe erwartet oder dem sie angeboten oder sogar aufgedrängt wird.

Die dritte Ordnung des Helfens
Die dritte Ordnung des Helfens wäre, dass der Helfer einem Erwachsenen, der Hilfe sucht, auch als Erwachsener gegenübertritt. Damit weist er dessen Versuche, ihn in eine Elternrolle zu drängen, zurück. Dass dies von vielen als Härte empfunden wird, ist verständlich. Die Unordnung des Helfens ist hier, wenn man einem Erwachsenen gestattet, an den Helfer Ansprüche zu stellen wie ein Kind an seine Eltern, und dem Helfer, den Klienten zu behandeln wie ein Kind und ihm etwas abzunehmen, für das er allein die Verantwortung und die Folgen tragen kann und muss.

Die vierte Ordnung des Helfens
Unter dem Einfluss der klassischen Psychotherapie begegnen viele Helfer dem Klienten oft als isoliertem Einzelnen. Doch der Einzelne ist Teil eines Familiensystems. Das heißt, dass das Einfühlen des Helfers weniger persönlich, sondern vor allem systemisch sein muss. Er geht mit dem Klienten keine persönliche Beziehung ein. Dies ist die vierte Ordnung des Helfens.
Die Unordnung des Helfens wäre hier, wenn wesentliche andere Personen, die gleichsam den Schlüssel zur Lösung in den Händen halten, nicht angeschaut und gewürdigt werden. Dazu gehören vor allem jene, die aus der Familie ausgeschlossen wurden, weil man sich zum Beispiel ihrer geschämt hat.
Auch hier ist die Gefahr groß, dass dieses systemische Einfühlen von Klienten als hart empfunden wird, vor allem von jenen, die kindliche Ansprüche an ihre Helfer haben. Wer dagegen auf erwachsene Weise nach einer Lösung sucht, der empfindet die systemische Vorgehensweise als Befreiung und als eine Quelle von Kraft.

Die fünfte Ordnung des Helfens
Das Familien-Stellen steht im Dienst der Versöhnung, vor allen zu den Eltern. Ihr steht die Unterscheidung von guten und bösen Familienmitgliedern im Weg. Zum Beispiel wenn ein Klient sich über seine Eltern beschwert oder über die Umstände seines Lebens oder sein Schicksal und wenn ein Helfer sich die Sicht dieses Klienten zu Eigen macht, steht er eher im Dienst des Konfliktes und der Trennung als im Dienst der Versöhnung. Die fünfte Ordnung des Helfens ist also die Liebe zu jedem Menschen, wie er ist. Der Helfer öffnet ihm sein Herz. Er wird Teil von ihm. Auf diese Weise nimmt der Helfer in der eigenen Seele vorweg, was der Klient noch leisten muss. Was sich in seinem Herzen versöhnt hat, kann sich auch im System des Klienten versöhnen.
Die Unordnung des Helfens wäre hier das Urteil über andere, das ja meistens eine Verurteilung ist, und die damit verbundene moralische Entrüstung. Wer wirklich hilft, urteilt nicht.

Die besondere Wahrnehmung
Um gemäß den Ordnungen des Helfens handeln zu können, bedarf es einer besondern Wahrnehmung. Was ich hier über die Ordnungen des Helfens gesagt habe, darf man nicht strikt und methodisch anwenden. Wer das versucht, der denkt statt wahrzunehmen. Bei dieser Wahrnehmung richte ich mich aus auf eine Person, doch ohne etwas Bestimmtes zu wollen, außer dass ich sie in umfassender Weise und in Hinblick auf nächstes fälliges Tun von innen her erfasse. Diese Wahrnehmung kommt aus der inneren Sammlung heraus. In ihr verlasse ich die Ebene der Überlegungen, der Absichten, der Unterscheidungen und der Ängste. Ich öffne mich für etwas, das mich unmittelbar von innen her bewegt. Wahrnehmen und Handeln fallen hier zusammen.“

 


Mein Hintergrund:
Aus- und Weiterbildung in Familienaufstellungen unter anderem bei Bert Hellinger, Organisationsaufstellungen bei Gunthard Weber. Durchführung zahlreicher Aufstellungs-Arbeitsgruppen, die sich regelmäßig getroffen haben, und Aufstellungsworkshops. Umfangreiche Erfahrung und tiefgreifende Erkenntnisse in Aufstellungsarbeit durch die Teilnahme an etwa viertausend Aufstellungen im In- und Ausland (USA, Kanada). Heilpraktiker für Psychotherapie, Ausbildung in Traumatherapie (SE) bei Dr. Dr. Raja Selvam und Dr. Lawrence Heller; darüberhinaus Teilnahme an zahlreichen Weiterbildungen und Workshops unter anderem zu Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie bei Erhard Doubrawa, posturale Integration bei Kurt Schröter und Atemenergetik; Ausbildung in prä- und perinataler Körperpsychotherapie bei Franz Renggli (Schüler von Wiliam Emerson); fünfundzwanzig Jahre Erfahrung in psychotherapeutischer Einzelarbeit und in Gruppen; Männergruppenarbeit; Besuch psychotherapeutischer Fachkongresse, insbesondere zum Familienstellen.